Maria

Krieg
Vertreibung

Ich bin in Goray geboren. Als Hitler an die Macht kam, wurde es in Eibendorf unbenannt. Heute heißt es wieder Goray, Polen.

Anfang Oktober 45 kamen wir nach Wittstock. Nachbarn aus Goray/Eibendorf waren schon in Wittstock, die haben uns erstmal aufgenommen. Weihnachten hatten wir schon eine eigene Wohnung, zu viert in zwei kleinen Kammern. Im Februar haben wir mit einer anderen Flüchtlingsfamilie getauscht und sind in die Kettenstraße gezogen. Wir waren so zehn Flüchtlingskinder in der Straße. Manche einheimische Kinder durften nicht mit uns spielen. Da war wie eine Mauer. Wir haben uns darüber amüsiert.

Die allermeisten Wittstocker waren sehr nett und hilfsbereit. Unsere Hauswirtin hat mir aus karierter Bettwäsche ein Kleid genäht! Dass wir Flüchtlinge waren, darüber haben wir nicht gesprochen. Das Thema war in der DDR tabu. Erst nach der Wende haben wir gemerkt, wie viele Vertriebene es hier gibt. Seitdem habe ich viele Kontakte zu den Leuten aus Goray. Wir tauschen uns aus und fahren noch manchmal hin. Den alten Dialekt, das „Gorayer Deutsch“ höre ich zu gerne, so wie meine Mutter gesprochen hat.

Meine Kinder interessieren sich nicht für die Gorayer Heimat. Meine Tochter lebt noch in Wittstock, mein Sohn ist nach der Wende in den Westen gezogen. Ich wohne jetzt seit 70 Jahren der Kettenstraße. Hier ist mein Freundes- und Bekanntenkreis. Ich verreise gern, aber hier ist mein Haus und mein Hof. Ich vermisse doch nichts.